Einem anderen schweigend begegnen
Gabriele Baumgartner
Die nonverbale Form der Kommunikation des Schweigens beinhaltet soviele Facetten an menschlichen Gefühlsausdrücken und vermag gleichzeitig soviele Wirkungen bei einem anderen Menschen auszulösen.
Wenn jemand seinem Gegenüber schweigend zuhört, nähert man sich respektvoll und widmet ihm die gesamte eigene Aufmerksamkeit. Still Gehörtes ist oft auch im Vertrauen Ausgesproches und muss im Geheimen bleiben, sodass das eigene Schweigen eine stille Akzeptanz bedeutet.
Schweigend einem anderen Menschen zu begegnen birgt aber auch eine Verweigerung der gegenseitigen Kommunikation und ein Negieren der Bereitschaft zu einem Dialog. Die Ablehnung des Gegenüber wird durch einen Verzicht auf eine Regung mit dem ausdrücklichen Schweigen untermauert.
Viele Religionen formulieren das Schweigen als ein menschliches Gelübde, um die Gedanken auf die Spiritualität zu fokussieren und jedwede andere Regung auszuschalten. Das Schweigen wird zur inneren Einkehr und jeglicher anderer menschlicher Kontakt damit im Geiste unterbunden.
Das vorsichtig formulierte Zitat von Papst Bonifatius VIII (um etwa 1235 – 1303) „Qui tacet, consentire videtur.“ „Wer schweigt, scheint zuzustimmen.“ drückt die vage Befürchtung eines erzwungenen Schweigens aus, das sich in der Geschichte der Menschheit mehrmals zu einem kollektiven Wahnsinn entwickelt hatte. Stillschweigen einer Tatsache oder einer Entwicklung, die eigentlich lautstark abgeleht werden müsste und einen Protest erfordern würde, waren in den vergangenen Jahrhunderten oft auch nur die einzige Möglichkeit, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Die Geschichte erzählt nur von wenigen Menschen, die mit Mut, der Furcht um ihr eigenes Leben oder auch aus ihrer inneren Überzeugung heraus den Tod in Kauf für ihre Überzeugung genommen haben. Aber für die Nachwelt wirken sie doch in ihrem bedingungslosen Verzicht auf das eigene Überleben vorbildlich und mitunter sogar als Gallionsfigur des Widerstandes.
Schweigen bedeutet aber auch ein stilles Gedenken: Die sogenannte „Schweigeminute“ fordert die Anwesenden zu einem in sich gekehrten Erinnern an liebe Verstorbene, an bedeutende und oft auch nicht wiedergut zu machende Ereignisse auf oder fordert zu einem ruhigen Protest auf.
Schweigen wird in der Kommunikation vielfach interpretiert und schweigend einem Menschen begegnen kann die menschliche Regung von Verachtung, über Respekt, Zustimmung und aber auch ein Mahnen an die Zukunft in sich birgen.
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